Kriegsjahr 1914

Am Morgen des 31. Juli gab das Russische Kaiserreich seine Generalmobilmachung bekannt. Deutschland reagierte mit einem an Ultimatum, mit welchem die Rücknahme der Mobilmachung bis zum folgenden Tag, 12 Uhr gefordert wurde.

Gleichzeitig erklärte das Deutsche Reich für das gesamte Reichsgebiet den "Zustand der drohenden Kriegsgefahr", sprich Kriegszustand. Zudem wurde der Belagerungszustand ausgerufen; dadurch ging die vollziehende Gewalt auf die Militärbefehlshaber über. Militärbefehlshaber waren die stellvertretenden Kommandeure in den zwölf Armeekorpsbezirken oder, wenn - wie in Wilhelmshaven - vorhanden, Festungsgouverneure. 

Dem entsprechend erließ der in Personalunion als Festungsgouverneur amtierende Stationschef Vizeadmiral Günther v. Krosigk folgende Bekanntmachung, aus der gleich zu Beginn das weit über die Stadtgrenzen hinaus ragende Gebiet der Festung Wilhelmshaven ersichtlich wird:

Durch Kaiserliche Verordnung vom 31. Juli 1914 ist der Bezirk der Festung und des Reichskriegshafens Wilhelmshaven in den Kriegszustand erklärt. Die vollziehende Gewalt in der Festung und dem Reichskriegshafen Wilhelmshaven und deren Bezirk geht infolgedessen an mich über.

Nach Kaiserlicher Verordnung vom 6. Februar 1912 umfaßt dieser Bezirk

1. auf dem Lande:

 a. vom Kreise Wittmund : die Gemeinde Wilhelmshaven,

 b. das Großherzoglich Oldenburgische Amt Rüstringen,

 c. vom Großherzoglich Oldenburgischen Amt Jever : die Gemeinden Fedderwarden, Accum, Schortens,   und zwar nur den östlich des Weges Erhardshof - Kloster Oestringfelde-Siebetshaus gelegenen Teil, die   Gemeinden Sande , Gödens und Neustadt-Gödens, Sillenstede, Sengwarden , Waddewarden, Pakens,     St . Joost, Oldorf, Wüppels , Wiarden , Minsen, Hohenkirchen, Middoge , und zwar den Teil nördlich des   Schaudeiches, und die Insel Wangeroog.

2. Auf dem Wasser:

 den Jadebusen mit sämtlichen darin mündenden Sielen und Außensielen. Die Jade und die Außenweser   bis zur Mündung in die freie See (Tragweite der Geschütze von Wangeroog) einschließlich der anliegenden Watten und Sande und der dazwischenliegenden Durchfahrten. Die Westgrenze zieht sich von H. St . Harle   nach der Ostecke von Spiekeroog und dann in die freie See. Die Ostgrenze geht vom Petersdenkmal in   Butjadingen über den Rotesand-Leuchtturm. diesen östlich lassend, in die freie See.

 

Die Zivilverwaltungs- und Gemeindebehörden verbleiben in ihren Funktionen, haben aber meinen etwaigen Anordnungen und Aufträgen Folge zu leisten. Unter Aufhebung der Artikel 5, 6, 27, 28, 29, 30 und 36 der Verfassungsurkunde für den Preußischen Staat vom 31. Jan . 1850, der Artikel 38 § 1, 39 bis 42, 46 § 1 und 2, 50 § 1,51 § 1 u . 53 § 1 und 2 des revidierten Staatsgrundgesetzes für das Großherzogtum Oldenburg vom 22. November 1852 sowie aller derjenigen gesetzlichen und verordnungsmäßigen Bestimmungen, die der durch diese Aufhebung geschaffenen Rechtslage entgegenstehen, verordne ich, was folgt:

 1. Alle Personen, die keine deutschen Staatsangehörigen sind, haben sich sofort bei der zuständigen   Polizeibehörde zu melden und über den Zweck ihres Aufenthaltes auszuweisen. Die betreffenden Polizei-   behörden stellen, sofern Gründe dagegen nicht vorliegen, einen Aufenthalts - Erlaubnisschein aus.   Ausländer, denen die Polizei einen solchen Erlaubnisschein nicht ausstellt, sind durch die betreffende   Polizeibehörde innerhalb 24 Stunden aus dem Festungsbezirk zu entfernen.

 2. Jeder Handel mit Waffen, Munition und Sprengstoffen aller Art ist verboten. Zivilpersonen dürfen nur   dann Waffen und Munition tragen, wenn ihnen von der zuständigen Polizeibehörde ein Waffenerlaubnis-   schein ausgestellt ist. Wer ohne solche Schein bewaffnet betroffen wird, wird sofort entwaffnet und   verhaftet. Bereits ausgestellte Waffenscheine behalten ihre Gültigkeit.

 3. Haussuchungen, Verhaftungen und Beschlagnahmen können von den dazu berechtigten Behörden und   Beamten zu jeder Zeit vorgenommen werden.

 4. Plakate, Zeitungen und andere Schriften dürfen nur dann öffentlich verkauft, angeschlagen oder sonst   verbreitet werden, wenn die Ortspolizeibehörde vorher die Erlaubnis dazu erteilt hat. Von jeder derartigen   Druckschrift ist ein Exemplar der Polizeibehörde einzureichen, und zwar bei Zeitungen mindestens 6   Stunden vor dem beabsichtigten Zeitpunkte des Erscheinens. Aufhetzende Artikel, Kritiken der   Maß-   nahmen der Behörden, Mitteilungen über Schiffs- und Truppenbewegungen usw., die ohne militärische   Erlaubnis veröffentlicht werden, ziehen die sofortige Unterdrückung jeder periodischen Druckschrift nach   sich.

 5. Die Polizeibehörden haben erforderlichen Falls meine Weisungen einzuholen. Die Verwendung der   bewaffneten Macht zur Unterdrückung etwaiger Unruhen usw. erfolgt nach meinem Befehl.

 6. Die Aufhebung des Artikels 7 der preußischen Verfassung bzw. Artikels 38 § 2 des OIdenburgischen   Staatsgrundgesetzes (Anordnung von allgemeinen Kriegsgerichten) bleibt Vorbehalten.

 

Die getroffene Verschärfung der Gesetze ist durch Artikel 68 der Reichsverfassung vom 16. April 1871 und durch das Preußische Belagerungsgesetz vom 4. Juni 1851 rechtlich begründet und bringt für jeden, der die Gesetze beachtet und den behördlichen Anordnungen Folge leistet, keine Veränderung. Ich hoffe im Gegenteil, daß alle patriotischen Bürger mich und die gesamte bewaffnete Macht freudig und rückhaltlos unterstützen in der Erfüllung der durch die Kriegsgefahr geschaffenen hohen vaterländischen Pflichten, und daß es dadurch möglich wird, den alten deutschen Waffenruhm aufrecht zu erhalten und vor den Augen    unseres Kaisers und den Blicken der Nation, die auf unsern vorgeschobenen Posten besonders gerichtet sind, in Ehren zu bestehen.

Wilhelmshaven, den 31. Juli 1914.

Der Stationschef als Gouverneur

 

Im Anschluss an diese einschneidende Verfügung ergingen noch weitere, kleinere Bekanntmachungen, so wurde z.B. darauf hingewiesen, "daß Tauben zur Beförderung von Nachrichten ohne ausdrückliche Genehmigung der Festungskommandantur in Wilhelmshaven nicht verwendet werden dürfen."

 

Am 02.08. ergingen detaillierte Bestimmungen für die Handelsschifffahrt auf der Jade

Heimkehr von U 9

In den Morgenstunden des 22. September gelang dem zwei Tage zuvor von Helgoland zu einer Aufklärungsfahrt ausgelaufenem "U 9" unter seinem Kommandanten Otto Weddingen nördlich Hoek van Holland innerhalb von nur etwa 75 Minuten die Versenkung von drei britischen Panzerkreuzern, "Aboukir", "Cressy" und "Hogue". Zunächst kehrte das Unterseeboot nach Helgoland zurück, am 24. September lief es zum Werftaufenthalt nach Wilhelmshaven. Dem Boot und seiner Besatzung wurde offenbar ein triumphaler Empfang bereitet. 

Gruppenbild der mit dem Eisernen Kreuz ausgezeichneten Besatzung von "U 9" vor der Elisabethkirche (heute Christus- und Garnisonkirche). 3. v.l. sitzend Kommandant Kapitänleutnant Otto Weddigen
Gruppenbild der mit dem Eisernen Kreuz ausgezeichneten Besatzung von "U 9" vor der Elisabethkirche (heute Christus- und Garnisonkirche). 3. v.l. sitzend Kommandant Kapitänleutnant Otto Weddigen

Am 15.10.1914 erließ der Festungskommandant eine Verfügung bzgl. Ausgabe von Schnaps und Likören. Besonders interessant die Auflistung aller Orts- und Bauernschaften, die unter dieser Anordnung fielen; es wird also nochmal der Gebietsumfang des Festungsbereiches Wilhelmshaven deutlich:

 

Ich erlasse auf die Dauer des Kriegszustandes folgende Anordnung für den Befehlsbereich der Festung Wilhelmshaven, namentlich für

1. die Städte Wilhelmshaven und Rüstringen

2. aus dem Amte Jever für die Gemeinden:

  1. Schortens,
  2. Sillenstede,
  3. Sande
  4. Accum,
  5. Fedderwarden,
  6. Sengwarden,
  7. Pakens,
  8. Waddewarden,
  9. Oldorf,
  10. Wüppels,
  11. St. Joost,
  12. Wiarden,
  13. Minden,
  14. Hohenkirchen;

3. aus dem Amte Varel:

a. für die Gemeinde Zetel,

b. für die Bauernschaften:

  1. Seghorn,
  2. Borgstede,
  3. Jeringhave,
  4. Dangast,
  5. Moorhausen,
  6. Bockhorn,
  7. Steinhausen,
  8. Blauhand;

4. aus dem Amte Butjadingen für die Gemeinden:

  1. Eckwarden,
  2. Tossens,
  3. Langwarden,
  4. Burhave;

5. aus dem Kreise Wittmund für die Gemeinde:

Neustadtgödens.

§ 1.

Die Abgabe von Schnaps und Likoren jeder Art an Unteroffiziere und Mannschaften ist verboten.

§ 2.

Die Abgabe von Schnaps und Likoren jeder Art an Zivilpersonen ist Gastwirten ausschließlich zum Genuß auf der Stelle und in den üblichen kleinen Schnapsgläsern gestattet.

§ 3.

Die Abgabe von Schnaps und Likoren jeder Art an Zivilpersonen ist nur Kleinhändlern ausschließlich in verkorkten und versiegelten Flaschen gestattet.

§ 4.

Zuwiderhandlungen gegen obige, in Wilhelmshaven und Rüstringen bereits geltenden Anordnungen ziehen Schließung des Geschäfts und nach § 9 des preußischen Belagerungsgesetzes vom 4. Juli 1851 (Artikel 68 der Reichsverfassung) Gefängnisstrafe nach sich.

Ich ersuche die Militärpolizeimeister und Ortspolizeibehörden, bei Uebertretungen eine dauernde oder zeitweise Schließung zu verfügen.

Wilhelmshaven, 15. Okt. 1914

Der Festungskommandant

(gez) Schultz

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