Seemannshaus

Seemannshaus Wilhelmshaven
Blick von Südost über die Bismarckstr.

Am 8. Mai 1903 wurde das “Seemannshaus für Unteroffiziere und Mannschaften der Kaiserlichen Marine“ an der Bismarckstraße eingeweiht. Es war das dritte seiner Art; finanziert aus freiwilligen Spenden entstanden bereits 1895 in Kiel und 1902 in Tsingtau, Heimathafen der Ostasiatischen Station der Kaiserlichen Marine im deutschen Pachtgebiet Kiautschou, solche Häuser, die „für die Unteroffiziere und Mannschaften der Marine und zwar namentlich für die an Land beurlaubten Besatzungen der im Hafen liegenden Kriegsschiffe in den Marinestandorten Heimstätten zu schaffen, in denen sie bei gesunder Nahrung für Körper und Geist nach anstrengendem Dienst die Erholung finden können, die ihnen ein zielloses Umherstreifen auf den Straßen und der Besuch minderwertiger Kneipen nicht zu bieten vermögen“.

 

Der Standort heute (Link zu Google Maps)

Nach Vorbild der schon lange existierenden Gast- und Erholungshäuser für Seeleute in England wurden, angeregt durch den damaligen Direktor der Torpedowerkstätten Kiel-Friedrichsort, Kapitän zur See Harms, schließlich – wie bereits erwähnt – 1895 in Kiel das erste Seemannshaus erbaut bzw. eingeweiht. Noch im selben Jahr wurde im Oktober die gemeinnützige Gesellschaft “Seemannshaus für Unteroffiziere und Mannschaften der Kaiserlichen Marine“ unter Schirmherrschaft des Konteradmiral Prinz Heinrich von Preußen und seiner Gemahlin Prinzessin Irene von Hessen-Darmstadt. Die Erfahrungen mit dem Kieler Haus waren offenbar so gut, das auf der Generalversammlung der Gesellschaft 1898 beschlossen wurde, auch in Wilhelmshaven und Tsingtau solche Gasthäuser zu errichten.

In Wilhelmshaven wurden zunächst Schreib- und Lesezimmer in der Gaststätte „Bismarcks-Hof“ an der heutigen Korte-Kreuzung angemietet. Das zweistöckige Gebäude wurde 1903 – im jenem Jahr also, als das neue Seemannshaus fertiggestellt wurde, abgerissen, an seiner Stelle entstand ein großes Wohn- und Geschäftshaus. Im 2. Weltkrieg zerstört, steht an seiner Stelle heute ein Bürohochhaus, das bekannte „MIZ“-Gebäude.

Aus einem 1901 ausgerufenem Architektur-Wettbewerb für das geplante Wilhelmshavener Seemannshaus gingen die Berliner Regierungs-Baumeister Breslauer und Salinger als Sieger hervor. Unter ihrer Leitung begannen 1902 die Bauarbeiten, unterstützt durch die im selben Jahr gegründete „Seemannshaus-Gesellschaft Wilhelmshaven“ mit ihrem Geschäftsführer Kapitän z.S. a.D. Friedrich Graf von Moltke, die Grundsteinlegung erfolgte am 15. April durch Prinz Heinrich.

 

Den rund 8000qm großen Eckbauplatz an der Bismarck-/Heppenser Str. pachtete die Gesellschaft gegen eine jährliche Gebühr von 500 Mark auf 90 Jahre in Erbpacht von der preußischen Domänenverwaltung. Bei einer Grundfläche von insgesamt fast 35x60m nahm das Haus rund 2000qm ein, die restliche Fläche war für eine Gartenanlage vorgesehen.

 

Aus den unten abgebildeten Grundrissen wird die Aufteilung des Gebäudes deutlich:

Das Hauptgebäude erstreckte sich mit einer Gesamtbreite von fast 35m an der Bismarckstraße und und in einer Länge von rund 23,5m an der Heppenser Straße; es beherbergte im Erdgeschoß mittig ein großes Gästezimmer für Mannschaften, für diese schlossen sich nach Osten zudem ein Schreibzimmer und in einem knapp fünfeinhalb Meter vorspringendem Flügelbau ein Lesezimmer an. Im westlichen Teil befanden sich die Räume für Unteroffiziere: Gäste- und Billardzimmer mit Erker zur Heppenser Straße, Schreibstube, Lesezimmer, zudem ein Vereins- bzw. Gesellschaftszimmer.

Im Zwischengeschoß befand sich eine 140qm große Küche plus Nebenräume, Wohnräume des Verwalters, zwei Zimmer für weibliches Personal, sowie, nur von einer Nebentreppe erreichbar, ein Büroraum für den Geschäftsführer.

Im Obergeschoß schließlich ein großer Schlafsaal für Mannschaften nebst Waschraum, ein Wohnraum für männliches Personal, ein Gesellschaftszimmer sowie eine Bücherei mit anschließendem Arbeitszimmer. Zur Unterbringung von zu Besuch anwesender Familienangehöriger von Mannschaften waren zudem noch fünf Zimmer eingebaut.

 

Quer zum Haupthaus, längs zur Heppenser Straße wurde der Saalbau mit Festsaal, Nebenräumen und Maschinenhaus angebaut. Allein der Hauptteil mit dem 400 qm großen Festsaal war rund 25,50m lang und 24m breit; zum Norden hin schloss sich ein Anbau mit Bühne an, am nordöstlichen Eck das Maschinenhaus; alles in allem maß dieser Gebäudeteil etwa 36m in der Länge und 30m in der Breite.

Im Festsaal boten sich auf einer Galerie auf Höhe des Haupthaus-Zwischengeschosses zusätzliche Sitzmöglichkeiten.

Die Baukosten betrugen rund 225.000 Mark - nach heutigem Wert rund 1,7 Mio. Euro - , zusätzlich etwa 25.000 Mark (170.000 Euro) für die Inneneinrichtung.

1911 wurden erste, nicht näher beschriebene, vermutlich aber am Festsaal vorgenommene Umbauten durchgeführt. 

Inwieweit der Betrieb auch während des Krieges 14/18 aufrecht erhalten wurde, ist derzeit noch nicht bekannt.

Die allgemein schwerwiegenden Folgen des Krieges haben sich sicherlich auch auf den Geschäftsbetrieb des Seemannshauses niedergeschlagen. Nicht zuletzt deswegen dürfte 1925 der Umbau des Festsaals zum Theater "Neues Schauspielhaus" erfolgt sein.

Im Zuge der Gleichschaltung während der NS-Diktatur wurde die Seemannshaus-Gesellschaft 1936 aufgelöst, das Haus ging in den Besitz der Stadt über und zum ersten Stadttheater umgestaltet, u.a. durch den Einbau einer Drehbühne.

Im März 1943 wurde das Gebäude größtenteils zerstört, in einem kleinen, unbeschädigten Teil richtete sich ein Kaufmannsladen ein. Diese letzten Überreste verschwanden 1945/46. Ende der 50er-, Anfang der 60er-Jahre entstand an der Stelle ein viergeschossiges Wohngebäude.

Innenaufnahmen (Quelle: Zentralblatt der Bauverwaltung, Nr. 55/1903 v. 11.07.1903):

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