07.01.

Das an der Friedenstraße gelegene, bisher als Übungsplatz benutzte Gelände soll als Gartenland gegen geringe Pacht abgegeben werden. Bei der Garnison-Verwaltung können Bewerber sich melden.

 

09.01.

Das "Wilhelmshavener Tageblatt" erscheint von heute an infolge eines Beschlusses des 21er-Rates unter der Bezeichnung "Die Tat" als Organ des Arbeiter- und Soldatenrates und gleichzeitig als Organ der Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei. Der Besitzer des Blattes und die Redaktion haben sich angeblich gegen den Wechsel erhoben.

 

11.01.

Der englische Kreuzer "Comus" und der Zerstörer "Scotsman" trafen am Mittwoch auf der hiesigen Reede ein und gingen bei Tonne 7 vor Anker. Die an Bord befindliche englische Kommission nahm im Laufe des gestrigen Tages Besichtigungen gemäß der Waffenstillstandsbedingungen vor. Heute werden die Schiffe zum gleichen Zweck in Bremerhaven eintreffen.

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Zu einer großen Demonstration von hauptsächlich Werftarbeitern kam es heute. Es begann vor dem Gebäude des Arbeiter- und Soldatenrats, dann wurde zur Matrosen-Divisions-Kaserne marschiert und von dort unter Voraustritt einer Musikkapelle durch die Straßen der Stadt. Es wurden Schilder vorausgetragen, die u.a. folgende Inschrift trugen: "Wir wollen kein Blutvergießen" und ""Die Tat" muß wieder erscheinen!" Wie man mitteilt, richtet sich die Kundgebung hauptsächlich gegen die Berufssoldaten.

 

22.01.

Die gestrige Wahl zur Nationalversammlung ist in Wilhelmshaven-Rüstringen, wie auch anscheinend in allen Ortschaften und Städten der Umgebung, ohne Störung verlaufen. Den Hauptzuspruch hatten die Wahllokale am Vormittag. Die Frauen haben sich zahlreich beteiligt und damit bewiesen, daß sie sich der Bedeutung des Tages vollauf bewußt waren. Der Arbeiter- und Soldatenrat hatte für ausreichende Sicherung gesorgt, sowohl durch Patrouillen als auch Posten vor den Wahllokalen.

 

31.01.

Über die gegenwärtige Lage in Wilhelmshaven-Rüstringen einwandfrei Feststehendes mitzuteilen, sind wir nicht in der Lage. Nach den bedauerlichen Vorfällen, die mehrere Opfer an Toten und Verwundete gefordert hatten, legte sich die Erregung der Massen, so daß beide Städte ein ruhigeres Bild zeigten.

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Schon gestern verlautete das Gerücht, daß der kommunistische Agitator J. verhaftet worden sei. Auf Grund unserer Erkundigungen an zuständiger Stelle können wir mitteilen, daß dies den Tatsachen entspricht. Der Volksschullehrer, der bei der Kapitulation der Spartakisten in der Tausendmannkaserne entkommen war, ist, als Matrose verkleidet, von Seesoldaten verhaftet worden.

 

01.02.

Bei der Beraubung der hiesigen Reichsbankstelle am 27. Januar durch Spartakisten wurden im Ganzen 7.208.446 Mark erbeutet. Darunter befanden sich 2.000.000 Mark in Gold. Im Laufe des Tages wurden 6.668.096 Mark zurückgeschafft. Im Laufe des gestrigen Tages sind noch einmal rund 100.000 Mark beschlagnahmt worden, so daß jetzt ungefähr 420.000 Mark fehlen. Die Kriminalpolizei erbittet Angaben über plötzlichen Geldbesitz, große Geldausgaben usw. nach Zimmer 20, Wallstraße 17.

 

06.02.

Das bewaffnete Arbeiterbataillon ist, so wie uns berichtet wurde, aufgelöst worden.

 

07.02.

Die Wahlbeteiligung in Wilhelmshaven-Rüstringen zur Nationalversammlung und in Wilhelmshaven zur Preußischen Landesversammlung war nach amtlichen Ergebnis wie folgt: Zur Nationalversammlung lag die Wahlbeteiligung bei 68,5 Prozent und in Rüstringen bei 78,2. Trotzdem die Zahl der Wahlberechtigten zur Preußischen Landesversammlung durch Nachtragungen angewachsen war, lag die Wahlbeteiligung nur bei 48,9 Prozent. Auffällig gering war die Beteiligung in den Kasernen und an Bord.

 

08.02.

Ein Entlassungszug steht nur den seit dem 9.11.18 Unteroffizieren und Mannschaften zu und zwar in getragenen Stücken von zwei Fünftel Tragewert oder auf Wunsch oder dem Mangel an Stücken des Entlassungszuges in dem entsprechenden Geldwert bis zur Höhe von 3,85 Mark.

 

09.02.

Zur Entwaffnung der Arbeiter wird uns mitgeteilt, daß sich in verschiedenen Werkstätten der Werft noch Waffen befinden. Das verstößt gegen die Vereinbarung, wonach sämtliche Waffen in ein bewachtes Depot niedergelegt werden sollen.

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Zwecks Bildung einer Bürgerwehr war eine Versammlung nach dem Seemannshaus einberufen worden. Die zahlreich erschienenen Teilnehmer einigten sich auf die vom Ausschuss vorgeschlagene Formulierung über Gründe und Aufgaben der Bürgerwehr, die, wenn auch in ruhigen Zeiten nicht bewaffnet, doch schon durch ihre Zahl ein gewichtiges Gegenstück zu den spartakistischen Umsturzbestrebungen bilden soll. Die Zeitverhältnisse bedingen es, daß sich die männlichen Einwohner zu einer Bürgerwehr zusammenschließen

 

13.02.

Mit begreiflicher Ungeduld werden die Ereignisse der Untersuchung über den Kommunistenputsch vom 27. Januar erwartet. Insbesondere will man Klarheit haben über das Verhalten des A. und S.-Rates, will Schuldige entlarvt und den Gerichten übergeben sehen. Gerüchte schwirren durch die Stadt: die Justiz greife nicht energisch zu, Verhaftete seien wieder frei, Mitglieder des 21er-Rates suchen sich durch Abreise in Sicherheit zu bringen und vieles mehr. Eine derartig umfangreiche Untersuchung ist aber nicht in wenigen Tagen abgeschlossen.

 

15.02.

In den letzten Tagen sind wieder mehrere größere Beträge von dem in der Reichsbank geraubten Gelde aufgespürt worden, unter anderem über 46000 Mk in einer Kaserne der 2. Torp.-Div. an der Roonstraße. Die Reichsbankstelle hat vom Reichsbankdirektorium die Genehmigung erhalten, denjenigen, welche sich um die Herbeischaffung des Raubes verdient machen, Belohnungen auszuzahlen. So konnten an mehrere ehrliche Finder bei dem obigen Marineteil ansehnliche Geldgeschenke übermittelt werden.

 

18.02.

Mit den in Scapa Flow internierten deutschen Schiffen besteht eine regelmäßige wöchentliche Postverbin-dung durch Kreuzer und Torpedoboote. Die Post verläßt Wilhelmshaven am Donnerstag jede Woche. Die Sendungen sind portofrei. Es werden gewöhnliche Briefe, Zeitungen und Pakete bis zu einem Gewicht von 10 Kilogramm befördert, Wert- und Einschreibbriefe werden nicht angenommen.

 

21.02.

Über die Stärke der hier eingerückten Regierungstruppen verlauten noch nichts Bestimmtes. Bis jetzt sollen 500 Mann eingetroffen sin. Die Sicherheitswache besetzt ihre Posten wie bisher. Uns liegt eine Meldung vor, wonach in Mariensiel ein Posten der Brückenwache erschossen worden sein soll. Auch sonst gehen allerhand unkontrollierbare Gerüche um, die mit Vorsicht zu genießen sind. Eine genaue Auskunft war von den zuständigen Stellen nicht zu erhalten.

 

22.02.

Der 21er-Rat ist abgesetzt. Seine Zusammensetzung, auch nach der Neuwahl, entsprach kaum den Wünschen der gesamten Bürgerschaft. In letzter Zeit lagen Anzeichen vor, daß kommunistische Elemente aufs Neue mit Erfolg bemüht waren, in den Ausschüssen einen maßgeblichen Einfluß zu erhalten. Wir erhoffen von den neuen Militär- und Zivilbehörden, daß sie mit fester Hand für Ruhe und Ordnung sorgen. Heute sind weitere Teile des Korps Roeder in Wilhelmshaven eingerückt, schätzungsweise mehrere tausend Mann mit Maschinengewehren, Geschützen und Bagage.

 

23.02.

Abteilungen der in Wilhelmshaven befindlichen Regierungstruppen haben das Druckereilokal der "Tat" in Zetel besetzt und wie es heißt, spartakistische Drucksachen beschlagnahmt. Der in Zetel noch bestehende Soldatenrat ist aufgelöst worden, die noch anwesenden 60 Mann in Urlaub geschickt, nachdem sie und die Arbeiter entwaffent worden waren. Wie es heißt, soll das Kommando von Zetel nach Varel gehen, um auch dort die Entwaffnung der Zivilisten durchzuführen.

 

26.02.

Nachdem die mehrmaligen Aufforderungen der Marinestation der Nordsee zur Waffenabgabe fast ergebnislos verkaufen waren, hätte man annehmen können, daß sich keine Waffen mehr in unberechtigten Händen befinden. Die von den Truppen des Korps Roeder vorgenommenen Durchsuchungen haben das Gegenteil bewiesen. 2507 Gewehre, 440 Karabiner, 569 Pistolen, 199 Maschinengewehre, 1346 Seitengewehre, 241 Handgranaten, 117 Gasbomben, 400 Fliegerbomben, 5 Revolverkanonen, weit über 150000 Gewehrpatronen und viele Artillerie- und Pistolen-Munition wurden auf den Werften, in Werkstätten und Kasernen gefunden.

 

27.02.

Ein großer Teil der Regierungstruppen hat Wilhelmshaven bereits wieder verlassen, um an anderer Stelle verwendet zu werden. Auf dem Wilhelmshavener Bahnhof wurde gestern im Laufe des ganzen Nachmittages verladen. Der Stab des Korps Roeder ist gestern abend abgereist. Auch von der 2. Landesschützenbrigade befindet sich nur ein kleiner Teil noch hier. Nur die Marinebrigade ist anscheinend zu längerem Verweilen bestimmt.

 

28.02.

Die 7gliedrige Kommission, die sich zur Klarstellung über Arbeiterentlassungsfragen nach Berlin begebn will, hat ihre Abreise verschoben, da augenblicklich ein Vertreter der Regierung hier weilt, mit dem Verhandlungen stattfinden. Ob nach diesen Verhandlungen noch eine Aussprache in Berlin nötig sein wird, steht noch nicht fest.

 

12.03.

Wie uns von zuständiger Seite mitgeteilt wird, wird das Landesjägerkorps, das zur Zeit im Sennelager bei Paderborn liegt, hier in unserer Stadt ein Werbebüro für einige Tage im Anfang dieser Woche einrichten. Wo sich das Werbebüro befindet, wird durch Aushängezettel bekannt gegeben. Angenommen werden ehemalige Soldaten aller Waffengattungen.

 

15.03.

Major Schneider, der frühere Kommandeur des II. Marine-Infanterie-Regiments, beabsichtigt mit Genehmigung der Regierung in Wilhelmshaven aus alten Seesoldaten ein neues Freikorps "Schwarze Jäger" zusammenzustellen. Bedingungen: Mobile Löhnung bzw. Gehalt, 5 Mark tägliche Zulage, freie Verpflegung, Bekleidung und Unterkunft. Die auf Selbstverpflegung angewiesenen Personen erhalten 5 Mark tägliches Verpflegungsgeld. Familienunterstützung wird weitergezahlt. Straffe Disziplin im Dienst und kameradschaftliches Verhalten außer Dienst. Alle ehemaligen Soldaten - Offiziere, Unteroffiziere und Mannschaften - wollen sich persönlich oder schriftlich im Geschäftszimmer des II. Seebataillons in Wilhelmshaven unter Vorlage der Militärpapiere melden.

 

21.03.

Die Marinebrigade hat Wilhelmshaven verlassen und ist ins Oldenburgische abtransportiert worden. Wie wir hören, hat sie ihr Standquartier in Hude aufgeschlagen, um bei etwaigen spartakistischen Unruhen in Bremen oder anderen Küstenstädten sofort eingreifen können.

 

22.05.

Für den Anspruch auf freie militärärztliche Behandlung, Lazarettverpflegung usw. gelten jetzt im Allgemeinen wieder die Friedensvorschriften. Für die Gewährung von Badekuren und anderen außer-gewöhnlichen Heilverfahren sind aber noch die Kriegskurbestimmungen in Kraft, soweit sie anwendbar sind. Die Zahl der Kurstellen hat sich erheblich verringert.

 

15.06.

Die zur Rückführung von rund 2700 Mannschaften von den in England internierten deutschen Kriegsschiffen bestimmten Dampfer "Badenia" und "Schleswig" sind von Emden nach Scapa Flow ausgelaufen. Die "Schleswig" bringt die zur Nordseestation gehörigen Leute zurück.

 

08.07.

Freiwillige Mitarbeiter hat die Kriminalpolizei aus den Reihen der hiesigen Schiffsbesatzungen erhalten. Sie haben zur Selbsthilfe gegriffen und an Bord erwischte Diebe, die sich nicht gescheut hatten, ihre eigenen Kameraden zu bestehlen und ihren Proviant zu unterschlagen, zuerst jämmerlich verprügelt und dann erst der Polizei übergeben. In den letzten acht tagen haben auf diese Weise drei Diebe aus den Reihen der Marine den Gerichten übergeben werden können.

 

12.07.

An die zwanzigtausend heimkehrende Kriegsgefangene werden durch Wilhelmshaven kommen. In Abständen werden Transporte von je 1500 Mann eintreffen, die 2-3 Tage hier verweilen müssen, um gebadet, untersucht, gespeist und gekleidet und mit Entlassungspapieren und Ausweisen für ihre spätere Versorgung versehen zu werden. Für den Empfang haben sich die hiesigen Berufs- und wohltätigen Vereine zu einem Empfangskomitee zusammengeschlossen. Der Empfangsausschuß rechnet damit, daß die gesamte Bevölkerung der Jadestädte sich tätig und opfernd zur Verfügung stellen wird.

 

25.09.

Morgen gegen 8 Uhr trifft der Dampfer "Oro Tawa" aus England mit 610 Kriegsgefangenen an Bord hier ein. Der große Empfang findet an der dritten Einfahrt statt. Um es allen möglich zu machen, die Heimkehrenden zu begrüßen, sind keinerlei Absperrungsmaßnahmen getroffen. Die Bevölkerung wird dies dankbar aner-kennen und durch Ruhe zeigen, daß auch zukünftig solche Maßnahmen unnötig sind.

 

21.10.

Das Durchgangslager für Kriegsgefangene weist ausdrücklich darauf hin, daß der Zutritt zur Tausendmann-Kaserne und den Lageranlagen am Südkai ohne Ausweis verboten ist. Dies gilt auch für Kinder, denn gerade Kinder sind hier mehrfach angetroffen worden, denen leicht zu transportierende Inventarien wie Messer, Gabeln, Löffeln usw. abgenommen wurden. Gleichzeitig wiederholt das Durchgangslager die auch schon von uns ausgesprochene Bitte, nicht beim Empfang an der Schleuse nachzulassen. Der Dampfer trifft meistens nachts schon ein und liegt bis zum Morgen auf der Reede, so daß er pünktlich zur festgesetzten Zeit einschleusen kann.

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- Straßennamen: es werden die zeitgenössischen Namen genannt, die heutigen Namen stehen in Klammern dahinter

 

- Zitierte Texte, Verträge usw. wurden in originaler, zeitge-nössischer Schreibweise übernommen

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